Rolf Rau

Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf

Prof. Erika Gromnica-Ihle und Dr. Jörg Wendler

Buchtipp

Ein Wegbereiter blickt zurück

Der Rheumatologe Prof. Rolf Rau hat ein Buch geschrieben. Es ist seine Autobiografie und zugleich eine Zeitreise durch die Rheumatologie.

Dieses Lesebuch ist ein Zeitdokument. Der Autor, Professor Rolf Rau, Geburtsjahr 1933 in Polen, nimmt den Leser mit auf seinen Weg durch acht Lebensjahrzehnte, von Kindheit und Jugend bis hin zum Studium und zur Facharztausbildung. So begann er beispielsweise 1978 damit, die Rheumaklinik in Ratingen aufzubauen, die 20 Jahre seine Basis sein sollte. Dort wurde er auch Wegbereiter der Methotrexattherapie bei rheumatischen Erkrankungen und beschäftigte sich mit der Bedeutung des Röntgens zur Darstellung von Gelenkzerstörungen. Als Begleiter des Autors lernt der Leser nicht nur Gefährten seines private Lebens kennen, sondern auch zahlreiche Koryphäen der Rheumatologie, und erfährt so die Entwicklung von 50 Jahren rheumatalogischer Forschung und Therapie. Auch für Laien und besonders für Menschen mit Rheuma ist es eine großartige Möglichkeit, die Entwicklung der Rheumatologie aus der ganz persönlichen Perspektive eines ihrer wesentlichen Schrittmacher nachzuverfolgen und im Geist seiner Zeit zu erleben. Für Rheumatologen ist es ein Fundus, in dieser Geschichte der Rheumatologie den eigenen Weg und die vielen, meist zeitverschobenen Kreuzungen und Tangenten mit Ralf Raus Weg zu entdecken.

Text: Prof. Erika Gromnica-Ihle und Dr. Jörg Wendler

Quelle: mobil 4-2018 August/September

Kolmarer Heimatbrief

Selten hat ein Beitrag im Kolmarer Heimatbrief seit meiner Übernahme der Schriftleitung 2006 eine solche Resonanz bei den Heimatfreunden gehabt wie der Beitrag über den 1934 so tragisch verstorbenen beliebten Chirurgen Dr. Paul Rau sowie der Bericht seines Sohnes, Professor Dr. Rolf Rau, über den Besuch in seiner Heimat. Viele der über 85jährigen Heimatfreunde erinnern sich oder wissen von ihren Eltem, dass sie oder Familienangehörige von Dr. Paul Rau behandelt wurden. So schrieb z.B. Gisela Wagner geb. Grippentrog aus Usch-Neudorf, heute wohnhaft in Gülitz: „Dr. Rau hat bestimmt meine Eltern und Großeltern gesundheitlich betreut. Als ich die Geschichte las, wusste ich sofort: Das war damals unser Arzt. Ein ganz bekannter Name aus meiner Kindheit

Christa Beutler geb. Milbradt aus Margonien, heute wohnhaft in Wertheim, schickte ein Schulfoto, das sie seinerzeit von ihrer Freundin Ruth Schiebischewski geb. Nebenhäuser erhalten hatte. Es zeigt in der ersten Reihe vorne ganz links (X) den hellblonden Knaben Rolf Rau. Über das Foto hat Professor Rau sich sehr gefreut.

Er hat nun seinerseits ein Foto aus Chodziez für den Heimatbrief zur Verfügung gestellt, das von ihm anlässlich seines geschilderten Besuchs in der Heimat mit Frau und Tochter vor dem Haus aufgenommen wurde, in dem sein Vater eine Arztpraxis führte. Heute ist das die Nummer 7 in der Wojska Polskiego, die zum Stadtsee hinunter führt. Das Gebäude wurde 1910 von Gustav Ellermann gebaut und beherbergt ein Café.

Zugleich informierte mich Professor Rau über das Erscheinen seiner Biographie, die er unter dem Titel „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“ im UNl-MED-Verlag veröffentlicht hat. Diese Aussage seiner Mutter in der höchsten Not des deutschen Zusammenbruchs hat ihn sein Leben lang begleitet.

Ich habe das Werk mit von Seite zu Seite wachsendem Interesse und Emotion gelesen, obwohl es natürlich in erster Linie den medizinisch-beruflichen Werdegang von Professor Rau schildert – aber in einer sehr persönlichen Art, die den Leser „mitnimmt“. Es folgt eine Leseprobe aus dem Band.
Klaus Steinkamp

Lesung am 16. April 2018 in der Stadtbibliothek in Naumburg/Saale um 19:00 Uhr

Jägerstraße 4
06618 Naumburg (Saale)
Telefon: 03445 / 202 250

Weitere Infos finden Sie  hier und auf der Facebook-Seite der Stadtbibliothek Naumburg.

Das Interview von Rolf Rau mit dem Naumburger Tageblatt vom 3. April 2018 finden Sie hier.

Interview mit dem Naumburger Tageblatt vom 3. April 2018

Mediziner blickt zurück

ROLF RAU Ehemaliger Rheumatologe berichtet in seiner Autobiografie über die Jugendjahre in Naumburg. Für April ist eine Lesung in der Stadtbibliothek geplant.

Rolf Rau verbrachte seine Jugendjahre in Naumburg. FOTO: PRIVAT

NAUMBURG – Der deutsche Rheumatologe Rolf Rau hat im vergangenen Jahr seine Autobiografie „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf … Erinnerung und Spurensuche“ veröffentlicht. Der Mediziner blickt darin zurück auf acht bewegte Jahrzehnte. Er schildert wichtige Lebensstationen und bettet die Erlebnisse gleichzeitig in den historischen Kontext ein. Prägend waren für Rau unter anderem seine Jugendjahre in Naumburg, wo er und seine Mutter nach Ende des Zweiten Weltkrieges lebten. Sein Buch wird der Mediziner am 16. April, ab 19 Uhr, in der Stadtbibliothek in Naumburg vorstellen. Franziska Fiedler hat vorab mit dem Autor gesprochen.

Was veranlasste Sie, Ihr bisheriges Leben aufzuschreiben?

Rau: Etwa um 2010 animierten mich Freunde, meine Lebensgeschichte niederzuschreiben. Insbesondere wollte ich meine Kindheit im Vorkriegs-Polen, während des Krieges, die Flucht und die Schulzeit in der späteren DDR etwas abseits der offiziellen Geschichtsschreibung schildern.

Wie sind Sie an die Recherche zum Buch herangegangen? Mit welchen Schwierigkeiten sahen Sie sich konfrontiert?

Leider hatte ich mich nie für meine Vergangenheit interessiert, mit meiner Mutter kaum je darüber gesprochen, mein Vater war schon 1934 verstorben. Alle Zeitzeugen waren tot, fast alle Familiendokumente 1945 verlorengegangen. Lediglich zwei jüngere Cousins konnte ich über die Flucht ihrer Familien befragen. Einer meiner Patienten war als Kind auf das gleiche Internat in Reisen (Provinz Posen) gegangen wie ich. 2012 rief ich ihn an und nahm an einem Ehemaligentreffen der Napola-Schüler (Nationalpolitische Erziehungsanstalt) in Reisen teil. Von dort aus führte mich meine Reise unter anderem zu meinem Geburtsort Kolmar.
Im Kolmarer Wochenblatt (polnisch) war 2011 ein Artikel über meinen Vater erschienen – 77 Jahre nach seinem Tod. Darin heißt es: „Er war ein Arzt der Armen und der Reichen, der Deutschen, der Polen und der Juden, und behandelte alle gleich.“
Mir fehlende Informationen über die Schulzeit in Naumburg bekam ich durch Befragen ehemaliger Klassenkameraden.

Sie sind Ende des Krieges nach Naumburg geflüchtet, haben dort ihre Jugendjahre verbracht. Ihre Mutter hat Sie unter schwierigen Bedingungen allein großgezogen. Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Naumburg?

Mit dieser Stadt verbinden mich viele Erinnerungen an eine sehr wichtige, für mein weiteres Leben vielleicht entscheidende Phase meines Lebens. Vom Internat in Reisen aus war ich als elfjähriger Kadett vor den Russen geflohen und kam Anfang Februar 1945 in Naumburg an. Meine Mutter fand mich hier am 5. April 1945 wieder. Wir bekamen eine kleine Dachkammer zugewiesen.
Am 12. April beobachteten wir von Kellerfenstern aus den kampflosen Einzug der Amerikaner. Am nächsten Tag beteiligten wir uns an der Plünderung des Heereszeugamtes und des Verpflegungsamtes. Drei Monate später kamen die Russen.
Unser Leben als bettelarme Flüchtlinge war geprägt durch Hunger, Hamstern, Stoppeln, Tauschen, auch Schwarzhandel. Ich besuchte ab September 1945 die Oberschule Naumburg. Sie war mir Heimat und Bildungsanstalt zugleich. Wir hatten hervorragende altbewährte Lehrer – die Hälfte promoviert. Sie vermittelten uns eine gute Allgemeinbildung und erzogen uns zu verantwortungsbewussten Menschen.
Die Klasse war eine verschworene Gemeinschaft. Alle waren nahezu gleich in ihrer Armut, ihren Wünschen und ihrer Ablehnung des Systems. Die Schule blieb ein Hort der Reaktion. Die Direktoren wurden häufig ersetzt, Lehrer und unliebsame Schüler der Schule verwiesen und verließen oft die DDR in Richtung Westen. Politische Diskussionen in der Klasse wurden vermieden.
Natürlich gab es auch sehr viele Erlebnisse, die mir die Schulzeit trotz aller Entbehrungen als schönste meines Lebens erscheinen lassen. Neben der Geborgenheit der Klassengemeinschaft und dem Stolz, die letzte reine Jungenklasse zu sein, waren es die rauschenden Schulfeste im großen Rathaussaal mit den Erfolgen unsere Aufführungen mit Fahrradakrobatik oder mit dem Stück „Landung der Marsmenschen“, die uns als Prämie eine Rennsteigwanderung und eine Harzreise einbrachten. Meine Liebe zum Tanz wurde durch mehrfache Teilnahme an Tanzschulkursen bei Mathilde Döring geweckt.

Welche Rolle spielte Naumburg, nachdem Sie zum Studium nach Berlin aufgebrochen waren?

Meine Mutter wohnte bis 1962/63 in Naumburg. Dann zog sie nach Berlin-West. Ich studierte bis 1957 an der FU Berlin. 1953 gab es neue Ostausweise. Ich habe meinen alten Naumburger Ausweis bei der Polizeibehörde in Schönwalde bei Berlin vorgelegt und einen neuen unter Angabe einer falschen Anschrift beantragt. Das war ein hochriskantes Unternehmen und hätte mich in der DDR wegen Ausweisfälschung und Spionageverdachts ins Zuchthaus bringen können.
Mit dem neuen Ausweis konnte ich im Ostsektor einkaufen und in den Semesterferien nach Naumburg fahren. Ich lebte in meinem alten Zimmer, konnte hier lernen, im Radio klassische Musik hören, Klavier spielen und alte Schulfreunde besuchen.
Manchmal juckte es in den Beinen, wenn vom Bürgergartenlokal her Tanzmusik erklang. Seit Herbst 1957 studierte ich in Gießen. Den Mauerbau erlebte ich bei einem Besuch in Berlin. Von Gießen und später von Zürich aus gab es Briefkontakte mit zwei Schulfreunden. Ich habe sie mit Reisegenehmigung mehrfach besucht, auch ihre Familien in Naumburg. Der zunehmende Verfall des Straßenpflasters und zahlreicher Gebäude hat mich erschüttert. Umso eindrucksvoller ist heute die Restaurierung der Stadt zu alter Schönheit.

An wen richtet sich das Buch?

Das Buch richtet sich an alle an der jüngeren Geschichte Deutschlands interessierten Leser. Darin schildere ich, wie es aus persönlicher Anschauung gewesen ist. Da sich eine entscheidende Phase meines Lebens in Naumburg abspielte, sollte es besonders für Naumburger interessant sein. Übrigens: Die medizinischen Passagen des Buches wurden auch für Laien verständlich geschrieben.

›› Der Eintritt zur Lesung am 16. April, 19 Uhr, in der Stadtbibliothek Naumburg ist frei. Sitzplatzreservierung möglich unter: bibliothek@naumburg-stadt.de oder 03445/20 22 50

 

Ein spannendes Zeitdokument auf Spurensuche: „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“

„Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“, sagte Hildegard Rau wiederholt zu ihrem Sohn Rolf, nachdem die kleine Familie Ende des Zweiten Weltkrieges in Naumburg Zuflucht gefunden hatte und bettelarm in ein neues Leben startete. Diesen Ausspruch hat der spätere Rheumatologe auch zum Titel seiner 2017 im Uni-Med-Verlag erschienenen Autobiografie auserkoren. Darin schildert Rolf Rau, Jahrgang 1933, sein bewegtes Leben: die glücklichen Kindheitstage in der Provinz Posen (Polen), die Flucht des Elfjährigen Ende des Krieges aus dem Internat, das Wiedersehen mit der Mutter in Naumburg nach fast drei Monaten der Trennung und Ungewissheit, die harten Jahre der Nachkriegszeit in der Domstadt, die durchaus mit glücklichen Erinnerungen an die Jugendjahre verbunden sind, den Aufbruch nach Berlin zum Medizinstudium und den strebsamen Aufstieg zum Professor und weltweit anerkannten Rheumatologen, der Rau über Marburg, Gießen und Zürich bis nach Ratingen führte.
Neben den persönlichen und teils sehr privaten Schilderungen, versteht es Rau, seine Erfahrungen und Erlebnisse im historischen Gesamtzusammenhang darzustellen. Mit dem Leser teilt er ab und an auch die eigene Meinung zu geschichtlichen Hintergründen. Das letzte Drittel gewährt einen interessanten wie seltenen Einblick in den Wissenschafts- und Medizinbetrieb.
Das spannende Zeitdokument hat 367 Seiten und ist für 19,95 Euro im Uni-Med-Verlag zu erhalten.

 

Quelle: Naumburger Tageblatt vom 3. April 2018

 

Lesung am 11. April 2018 in Düsseldorf Kaiserswerth in der Jonakirche 15:00 – 17:00 Uhr

Café Jona / Seniorenkreis in der Jonakirche
Beginn: 15:00 Uhr
„Acht Jahrzehnte voller Umbrüche“. Rolf Rau liest aus seiner bewegten Autobiographie.

Weitere Informationen gibt es bei Pfarrer Daniel Kaufmann, Tel. 0211 432 920.

Adresse: Niederrheinstr. 128, 40474 Lohausen

Infos zur Anfahrt

Lesung am 2. März 2018 Treffen des RheumaNetz Westfalen-Lippe Ringhotel am Stadtpark Lünen

Lesung mit Dr. Rolf Rau – Literaturtage 2017 Albstadt am 17.11.2017

Foto: Sabine Miller

Es gibt Menschen, deren Lebensgeschichte so bewegt verläuft, dass ihnen Freunde raten, ein Buch darüber zu schreiben. Rolf Rau hat auf diese Anregungen gehört und seine Biografie verfasst:

Krieg, Vertreibung und Flucht prägen die Kindheit; Mangelwirtschaft und die ersten Einflüsse des stalinistischen Sozialismus seine Jugend. Rau wird 1933 in der polnischen Provinz Posen geboren. Er erlebt dort zunächst eine ungetrübte Kindheit. 1939 ist er aber als Sechsjähriger Zeuge des Kriegsbeginns in Danzig. Er wird Schüler an einer Internatsoberschule der Nationalsozialisten, einer „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“, kurz Napola.

1945 flieht er vor den russischen Soldaten in die spätere DDR, in der er den „real existierenden Sozialismus“erlebt. Rau studiert Medizin in Berlin, steigt dort in den Beruf ein.

Seine Arbeit führt ihn über Westdeutschland und die Schweiz ins Ausland. Die persönlichen und politischen Ereignisse beschreibt der Autor mit feiner Ironie und dokumentiert damit ein Leben in Zeiten großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche.

Sein Buch ist nicht nur eine persönliche Erfahrungsgeschichte: Neben seinen individuellen Erfolgen,Fehlschlägen und Ideen lässt der Autor die Lesenden auch an einem Stück Zeitgeschichte teilhaben. Während der Entstehung seines Buches hat Rau seine alte Heimat noch einmal besucht.

Er hat sich auf Spurensuche begeben,die wenigen noch lebenden Zeitzeugen befragt und fehlende Informationen zusammengetragen. Der Autor reflektiert in seiner acht Jahrzehnte umspannenden Biografie Erinnerungen und Erlebnisse von der Kindheit in den 1930er Jahren bis heute.

 

Das vollständige Programm der Literaturtage 2017 in Albstadt

Schwarzwälder Bote vom 20.11.2017

Acht Jahrzehnte voller Umbrüche

Von Sabine Miller

Foto: Sabine Miller

Der Mediziner Rolf Rau hat im Kräuterkasten aus seinem autobiografischen Buch „Junge das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“ gelesen.

Albstadt-Ebingen. Auf 367 Seiten leuchtet der Autor aus Ratingen in verschiedene Aspekte seines bewegten Lebens hinein, stellt die Ereignisse seiner Vita aber in einen Kontext zum jeweiligen politischen und gesellschaftlichen Geschehen. So darf das Werk auch als acht Jahrzehnte voller Umbrüche umfassendes Zeitdokument gesehen werden.

Trotz beruflicher Erfolge ist Rolf Rau keine dieser Persönlichkeiten, an deren Biografie große Verlage Interesse bekundet hätten. Erschienen ist sein Buch deshalb im Uni-Med-Verlag, einem Verlag für medizinische Fachbücher, bei dem er selbst bereits solche publiziert hat.

Eine Lesereise gab es bisher nicht. Der Einladung der Stadt Albstadt zu einer Präsentation bei den Albstädter Literaturtagen – der Kontakt kam über die mit Raus zweiter Ehefrau Gertraud befreundete Birgit Frohme zustande – habe er zunächst skeptisch gegenüber gestanden, gab der agile 84-Jährige zu.

Mit liebenswürdigem Tonfall Geschichte zum Klingen gebracht

Bei seiner Lesung in der stimmigen Atmosphäre des voll besetzten Kräuterkastens war davon allerdings nichts mehr zu spüren: Mit klarem und liebenswürdigem Tonfall brachte er seine Geschichte zum Klingen. Rasch ließ sich der Hörer gedanklich mitnehmen, mitten hinein in die Provinz Posen, wo Rau 1933 das Licht der Welt erblickte. Hand aufs Herz – wer weiß schon noch von der Existenz der Provinz Posen, von ihrer wechselnden Zugehörigkeit, mal zu Polen, mal zu Deutschland? Zum Zeitpunkt seiner Geburt gehörte sie zu Polen. Als der Vater früh starb, zog die Mutter mit ihm von Kolmar nach Margonin, wo sie ein Hotel geerbt hatte.

Dort begann der Autor im Zuge der Buchrecherche seine Spurensuche. Die Landschaftseindrücke, die er bei seiner Reisen sammelte, hat er in anschaulich-bildhafte Texte gepackt. Spannend geschildert oder humorvoll erzählt sind die Begegnungen mit Menschen, die ihm geholfen haben, Erinnerungen aufzufrischen. Die politisch bedingten Erlebnisse und Lebenssituationen seiner Kinder- und Jugendzeit beschreibt Rolf Rau ohne sie zu bewerten: 1939 beobachtet er von einem Hügel der Danziger Höhe aus den Beginn des Zweiten Weltkriegs, 1943 wird er Schüler der nationalsozialistischen „Nationalpolitischen Erziehungsanstalt“ (NPEA) in Reisen, flüchtet im bitterkalten Winter 1945 zu Fuß mit zwei Mitschülern vor den Russen, erkrankt an Gelbsucht. Eine Landverschickung bleibt ihm erspart, die Mutter findet ihn.

Hab und Gutes beraubt, entwurzelt und bettelarm wie so viele, spricht sie dann irgendwann jene Worte aus, die dem Buch seinen Titel verliehen: „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf.“ Botschaft? Aufforderung? Hilferuf? Darauf ging Rolf Rau im Kräuterkasten nicht näher ein, sondern widmete sich den Anfängen der DDR und machte dann einen großen Sprung in seine Ära als Arzt und Rheumaspezialist und zur vom Publikum aufmerksam verfolgten Behandlung eines ganz besonderen Patienten in Afrika.

Hier geht es zum Artikel im Schwarzwälder Boten vom 20.11.2017

Lesung am 22. September 2017 Rotes Sofa Uni Klinik Düsseldorf

Lesung am 9. Juni 2017 Cedric Restaurant Ratingen

Lesung am 26. März 2017 Tennis Club Grün-Weiß Ratingen RTC

Dr. phil. Barbara Arens-Vosshege bei Amazon

Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf…. Erinnerung und Spurensuche
Die Biografie des Mediziners und medizinischen Forschers Rolf Rau, in der er die zurückliegenden acht Jahrzehnte seines Lebens beleuchtet, ist in mehrfacher Hinsicht ein Kleinod. Er schildert darin nicht nur seine individuellen herausfordernden Lebensumstände, nämlich Kindheit in Polen in den 1930-er Jahren, sehr früher Verlust des Vaters, Eliteschüler auf der nationalsozialistischen Kadettenanstalt NAPOLA, Flucht vor den Russen als Elfjähriger allein zu Fuß mit zwei Mitschülern im Winter1945, Schulzeit in der DDR, Studium der Medizin unter entbehrungsreichen Bedingung in Westberlin und andernorts, Beziehungs(liebes)leben, Laufbahn vom Medizinalassistenten zum Professor und international anerkannten Forscher im Bereich der Rheumatologie, – sondern stellt diese Lebensereignisse jeweils detailliert in den von ihm gesehenen historischen Kontext. Damit wird dieses Buch ein lebendiges Dokument der Zeitgeschichte.
Durch die Lektüre gewann ich anschauliche Einblicke in die Lebenssituation der deutschstämmigen Minderheit in Polen in den 30-er Jahren des vorigen Jahrhunderts, in die damaligen Konflikte zwischen Deutschen und Polen in dieser Region, in die Geschichte Polens und in die raschen Auswirkungen der Machtübernahme der Nazis in Westpolen z.B. auf das Schulsystem. Auch wenn diese Einblicke teilweise sehr subjektiv gefärbt scheinen, d.h. sich teilweise eher unkritisch gegenüber nationalsozialistischem Denken und Handeln positionieren, motivieren sie den Leser ungemein zur weiteren Auseinandersetzung mit der jüngeren und älteren Geschichte Polens und speziell der Geschichte zwischen Polen und Deutschland.
Die Schilderung der Schulzeit in der Nachkriegs-DDR mit ihren autoritären Strukturen, ihrer politischen Bevormundung und dem Denunziantentum zeigt am individuellen Beispiel bekannte repressive Strukturen des DDR-Systems auf. Auch das problematische Verhältnis zwischen West- und Ostdeutschland, das nach der Wende seinen Anfang nahm und bis heute andauert, wird am Beispiel der Geschichten von in Ostdeutschland verbliebenen Freunden anschaulich skizziert (Arroganz der „Besser-Wessis“).
Die folgenden, der medizinischen Arbeit gewidmeten Kapitel zeichnen zum einen den ehrgeizigen, zähen, erfolgreichen Weg vom Medizinalassistenten zum Chefarzt für Rheumatologie und Forscher in diesem Bereich nach, zum anderen, aber noch viel spannender, gewähren sie seltene aufschlussreiche Einblicke in die Praktiken der internationalen Pharmaforschung und die Methoden des Konkurrenzkampfes – vor allem zwischen den USA und Europa – auf diesem Gebiet. Darüber hinaus bilden diese Kapitel die Geschichte der Rheumatologie von ihren Anfängen in den 1960-er Jahren bis heute ab. Dies ist wahrscheinlich der Hauptgrund, warum dieses bemerkenswerte Buch in einem Medizinverlag erschienen ist.
Die Schilderung der langjährigen, äußerst erfolgreichen, international renommierten medizinischen Laufbahn beinhaltet aber auch noch ein interessantes psychologisches Moment. Rolf Rau schildert immer wieder, wie ihn seine ehrgeizigen Projekte mit Symptomen wie Schlafstörungen, Ängsten, Schweißausbrüchen etc über Jahrzehnte psychisch wie physisch unter Druck setzten und wie er auch zu Medikamenten griff, um seinen Leistungspegel hoch zu halten.
Was bringt einen Menschen dazu, sich so etwas anzutun? Der treffend gewählte Titel „Junge, das Einzige, was wir noch haben, ist dein Kopf“ bringt es auf den Punkt, der elfjährige Junge hat die Familie vor dem Untergang zu bewahren. Hier scheint es, dass sich diese Botschaft tief im Unterbewussten verankert und zu einem unendlichen Selbstbehauptungsvermögen allerdings mit gravierenden Erschöpfungseinbrüchen geführt hat. Heute bezeichnet man dieses Phänomen auch als Resilienz. Der Autor selbst vermeidet weitgehend die psychologische Selbstanalyse und sieht seine Aufgabe mehr darin, seinen jungen und alten Leserinnen und Lesern die jeweiligen historischen Zeitumstände nahe zu bringen.
Der Charme des Buches liegt nicht zuletzt in dem flüssigen, häufig gewitzten und selbstironischen Schreibstil und in der großen Anschaulichkeit, mit welcher der Autor Menschen, Landschaften, Begebenheiten und medizinische Sachverhalte beschreibt. Zusätzlich geben die Einblicke in sein (Liebes)beziehungsleben und die vielen tollen Fotos aus acht Jahrzehnten dem Buch eine Prise Würze. Parallel zu der beachtlichen beruflichen Lebensleistung ist das Buch auch ein eindrucksvolles Dokument für eine herausragende kommunikative Leistung und zwar sowohl im privaten familiären und freundschaftlichen als auch im beruflichen Kontext. Chapeau!

Prof. Dr. Attila Dunky, Wien

Das besprochene 360 Seiten umfassende Buch, erschienen 2017 im UNI-MED Verlag Bremen, ist eine sehr interessante Dokumentation des Lebensweges eines Rheumatologen in der Kriegs- und Nachkriegszeit sowie der Entwicklung der Rheumatologie im deutschen Sprachraum. Es kann auch als Dokumentation einer Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche gelesen werden.

Rolf Rau wurde 1933 in Kolmar, Provinz Posen, geboren. Die Provinz war 1920 nach dem Versailler Vertrag zu Polen gekommen. Mehr als 50 % der deutschen Bevölkerung emigrierten bald in die Weimarer Republik. Die Deutschen wurden als ungeliebte Minderheit zunehmend stärker unterdrückt um Polen zu verlassen – Polen sollte ein ethnisch „reines“ Land werden.
Schon im März 1934 starb Rolfs Vater an einer Tetanus-Infektion. Seine Mutter übernahm das Hotel ihrer Eltern.
Wegen einer für Deutsche lebensbedrohenden Lage floh Rolfs Mutter mit ihm gegen Ende August 1939 zu Bekannten in die „Freie Stadt“ Danzig, wo er von einem Hügel aus am 1.September die Beschießung der Westerplatte im polnischen Kriegshafen Gdingen (bei Danzig) und damit den Beginn des II. Weltkriegs erlebte. Mehrere Tage später konnte er den Einmarsch deutscher Truppen bejubeln. Sonst hätte er 1939 in eine polnische Schule eingeschult werden müssen. Von 1943 bis Januar 1945 war er Schüler der NAPOLA auf Schloss Reisen, ca. 140 km südlich von Kolmar.
Von Reisen aus musste er am 21.Januar 1945 allein mit 2 gleichaltrigen Kameraden unter dramatischen Umständen vor den Russen nach Naumburg/Saale fliehen. Dort fand ihn seine Mutter kurz vor Kriegsende wieder.
Als besitzloser Flüchtling erlitt er in der sowjetischen Besatzungszone, später DDR, eine Zeit schwerer Entbehrungen und politischer Indoktrination. Nach dem Abitur 1952 verließ er die DDR, studierte Medizin an der FU-Berlin, in Marburg und Gießen und war ab 1962 wissenschaftlicher Assistent an der Medizinischen Uni-Klinik Gießen.
Dort begann er eine kleine rheumatologische Ambulanz aufzubauen und auch schon über die Therapie der chronischen Polyarthritis (später rheumatoide Arthritis, RA) zu publizieren. Er hatte das Glück 1969 in Zürich, dem damaligen Mekka der Rheumatologie, eine Assistentenstelle an der Uni-Rheumaklinik zu bekommen und 1971 von Prof. Duri Gross als Erster Oberarzt in die Rheumaklinik des neuen Stadtspitals Triemli mitgenommen zu werden.
Hier entstand die Monographie der Leber bei rheumatischen Erkrankungen, nachdem er schon in Gießen und Zürich zahlreiche Leberbiopsien durchgeführt und auf die „reaktive Hepatitis“ bei aktiver RA und ihre Beeinflussung durch die Therapie der RA hingewiesen hatte. Die Frage der Nebenwirkungen des MTX auf die Leber spielte später eine große Rolle.
1978 übernahm er die Leitung einer von ihm aus einer inneren Belegabteilung aufzubauenden internistischen Rheumaklinik am Evangelischen Krankenhaus in Ratingen. Die baulichen und personellen Bedingungen und die hygienischen Verhältnisse auf der Krankenstation waren katastrophal („Lambarene“).
Eine australische Kasuistik über die wirksame Behandlung einer Psoriasisarthritis veranlasste ihn trotz Warnung der Herstellerfirma und ohne Kenntnis zweier amerikanischer Ansätze erstmals Patienten mit einer fortgeschrittenen RA mit MTX zu behandeln. Die Patienten wurden langfristig beobachtet und über Therapieerfolge berichtet, was zunächst auf Unglauben stieß. Eine gemeinsame Studie mit Professor Menninger über 3 Jahre ergab, dass MTX (fast) so gut wirkte wie das von ihm bevorzugte parenterale Gold. Die brisante Frage nach einer Leberschädigung durch MTX konnte er mit selbst durchgeführten Leberbiopsien entschärfen. Zu einer 1984 auf Schloss Hugenpoet nahe Ratingen und von Lederle finanzierten Tagung über alle Aspekte des MTX konnte er Onkologen, Dermatologen und amerikanische Rheumatologen einladen. Hieraus entwickelten sich langjährige Freundschaften.

Über seine intensive Beschäftigung mit der Radiologie rheumatischer Erkrankungen, die Entwicklung einer eigenen Scoringmethode zur Quantifizierung der destruktiven Veränderungen und die erstmalige Beschreibung der Heilung von Erosionen wird berichtet.

Mitte der 1990er Jahre wurde die Therapie der RA durch Einführung der TNF alpha Inhibitoren revolutioniert. Die Ratinger Klinik war bei der Durchführung der ersten Phase II Studie gemeinsam mit Prof. van der Putte in Nimwegen und Fritz Hasler in Chur mit dem TNF alpha Rezeptor Lenercept beteiligt, dessen Entwicklung wegen einer Fehleinschätzung leider abgebrochen wurde.

Bei der klinischen Entwicklung des TNF alpha Antikörpers D2E7 (vermarktet als Humira), heute das umsatzstärkste Medikaments überhaupt, war die Ratinger Klinik ebenfalls beteiligt.
Die Zentren in München, Nimwegen und Ratingen führten die ersten klinischen Untersuchungen (Phase I) mit unterschiedlichen Dosen durch und beteiligten sich auch an allen Folgestudien an prominenter Stelle.
Die Kapitel zu den in der Rheumatologie angewandten Methoden, zur beginnenden Internationalisierung der Wissenschaft, zur Rolle der Pharmaindustrie, zur Cortisonbehandlung durften auch den Laien interessieren und sind allgemeinverständlich geschrieben.
Natürlich befasst sich das Buch nicht nur mit der Rheumatologie, sondern auch mit privaten und politischen Ereignissen und ist in einem flüssigen Erzählstil geschrieben.

Wilhelm Breitenbürger

Ich kann dieses ungewöhnliche Buch eines jetzt  84-jährigen Kollegen empfehlen, der seine persönliche und berufliche Geschichte zu Papier gebracht hat.
Wir erfahren etwas über Deutsche und Polen vor dem Krieg, über die Flucht aus dem Osten, über den Werdegang eines klugen  Jungen, über die Odysseen eines Studenten und Jungakademikers, der sich als Arzt und Forscher durchgebissen hat, wir bekommen eine Einsicht ins wissenschaftliche. Arbeiten, wie Studien entstehen oder auch nicht, wie das Ökonomische die Wissenschaft beeinflusst und wo sich jemand treu geblieben ist. Alles gespickt mit vielen Anekdoten, wo man sich wundert, woran sich Herr Rau noch alles erinnern kann in seinem langen Leben, an seine Erlebnisse mit Kunst und Kultur, Reisen und Weltreisen eingeschlossen. Er ist Rheumatologe und hat das MTX in die Rheumatologie eingeführt, mit Erfolg. Für jeden Arzt, der an Forschung interessiert ist, eine Fundgrube für Anregungen, für jeden anderen ein Anstoß, sich selbst zu finden und sich auf Neues einzulassen ohne seine Grundprinzipien zu verleugnen. Man kann das Buch weglegen, es dann irgendwann wieder zur Hand nehmen und ist wieder neu gefesselt. Eine authentische Biographie eines hochinteressanten Lebens, wie man sie selten wird nachlesen können.
Mit freundlicher Empfehlung
Wilhelm Breitenbürger, Berlin

Prof. Dr. Gert Hein, Naumburg/ Bad Kösen

Rolf Rau beschreibt nicht nur eine Erinnerung.
Er gibt tiefe Einblicke in ein Leben intensiver Suche, unbeugsamen Strebens und lebenslangen Ringens, besonders auch um wissenschaftliche Ehrlichkeit. Und das in einer Offenheit, die nichts beschönigt, mit einem gerüttelt Maß an Selbsthinterfragen und Selbstkritik. Darüber hinaus bietet er einen authentischer Abriss neuerer deutscher Geschichte.
Was ist daran für Rheumatologen, aber bei weitem nicht nur für diese, so bemerkenswert und interessant? Es sind zwei Aspekte:
Zum einen ist der Autor einer der Nestoren der neuen deutschen Rheumatologie mit internationaler Ausstrahlung. Einer, der die dramatischen Entwicklungen des Fachgebietes miterlebt und mitgestaltet hat, der dabei mit Leib und Seele Kliniker geblieben ist und nicht nur die rheumatischen Hände oder den schmerzenden Rücken der Patienten, sondern immer den ganzen Menschen mit seinem organischen und psychischen Status gesehen hat.
Zum anderen beschreibt Rolf Rau ein schier unglaubliches Leben: Seine Kindheit in Margonin (damals polnische Provinz Posen, 1939–1945 wieder deutsch), die teils verdrängten Erlebnisse auf der Flucht nach Danzig 1939 und weiter nach Naumburg/Saale (Januar 1945). Die folgenden Jahre im stalinistisch geprägten Ostdeutschland (wobei ihm Mitschüler und manche Lehrer durchaus in guter Erinnerung sind), das er 1952 schließlich zum Studium der Medizin in Berlin verließ. Die unterschiedlichen Assistenz-, später Oberarztstellen in Deutschland und der Schweiz und letztlich die Annahme der Chefarztstelle an der erst unter schwierigen Bedingungen neu zu etablierenden Rheumaklinik in Ratingen.
In die Ratinger Zeit fallen seine wertvollen Langzeitstudien zur Therapie mit Goldsalzen, Glukokortikoiden und Methotrexat (letzteres hatte Rolf Rau als Erster 1978 unabhängig von den Amerikanern in Europa eingeführt), aber auch seine Pionierarbeit in der Anwendung der ersten TNF-Blocker bei RA-Patienten.
Schließlich seine „Erntezeit“ u. a. mit der Ernennung zum Ehrenmitglied der DGRh, der EULAR und zum Master des ACR, zahlreichen internationalen Vortragseinladungen und der Mitarbeit in bedeutenden nationalen und internationalen Fachgremien.
Diese „Karrieregeschichte“ ist eingebettet und immer wieder durchdrungen von persönlichen Reflexionen, Personen- und Konfliktbeschreibungen sowie kritischen und selbstkritischen Bemerkungen. Rau erläutert auch persönliche Wertschätzungen von ihm nahe stehenden Personen und Mitarbeitern, namentlich seiner zweiten Ehefrau Gertraud Herborn.
Man kann das Lebenswerk von Rolf Rau erst richtig verstehen und in besonderer Weise wertschätzen, wenn man sich den historischen Hintergrund deutlich macht und die so ungewöhnlichen, teils dramatischen Lebensumstände verinnerlicht. Seine Biografie regt an zum Nachdenken und Überdenken eigenen Handelns. Eine empfehlenswerte Lektüre nicht nur für Rheumatologen, aber auch und besonders für diese.
Gert Hein, Naumburg/ Bad Kösen

Quelle: arthritis + rheuma 6/2017

Prof. Dr. med. Gert Hein, Naumburg/Bad Kösen

Da beschreibt und analysiert ein nicht mehr ganz junger, wohl aber aktiv und wach gebliebener Mann sein Leben, seine Persönlichkeit: offen, ehrlich, nichts beschönigend. Was ist daran besonders und bemerkenswert? Es sind zwei Aspekte.

Zum Einen ist der Autor einer der Nestoren der deutschen Nachkriegs-Rheumatologie. Einer, der die dramatischen Entwicklungen des Fachgebietes miterlebt und mit gestaltet hat, der dabei ein Vollblutkliniker geblieben ist und den Patienten immer in seiner Gesamtheit gesehen hat.

Zum Anderen beschreibt Rolf Rau ein schier unglaubliches Leben: Seine Kindheit in Margonin (damals polnische Provinz Posen, 1939-45 wieder deutsch), die teils verdrängten Erlebnisse auf der Flucht nach Danzig 1939 und weiter nach Naumburg/Saale (Januar 1945). Die folgenden Jahre im stalínistisch geprägten Ostdeutschland, das er 1952 schließlich zum Studium der Medizin in Berlin verließ, die unterschiedlichen Assistenz-, später Oberarztstellen in Deutschland und der Schweiz und letztlich die Annahme der Chefarztstelle an der erst unter schwierigen Bedingungen neu zu etablierenden Rheumaklinik in Ratingen. In die Ratinger Zeit fallen seine wertvollen Langzeitstudien zur Therapie mit Goldsalzen, Glukokortikoiden und Methotrexat (letzteres hatte Rolf Rau als Erster 1978 unabhängig von den US-Amerikanern in Europa eingeführt), aber auch seine Pionierarbeit in der Anwendung der ersten TNF-Alpha-Blocker bei Patienten mit rheumatoider Arthritis. Schließlich seine „Erntezeit” u. a. mit der Ernennung zum Ehrenmitglied der DGRh, EULAR und Master des ACR, zahlreichen internationalen Vortragseinladungen und der Mitarbeit in bedeutenden nationalen und internationalen Fachgremien.

Diese „Karrieregeschichte” ist eingebettet und immer wieder durchdrungen von persönlichen Äußerungen, Personen- und Konfliktbeschreibungen sowie selbstkritischen Bemerkungen. Das betrifft auch persönliche Wertschätzungen von ihm nahe stehenden Personen und Mitarbeitern, namentlich seiner zweiten Ehefrau Gertraud Herborn.

Das Buch ist nicht ganz einfach zu lesen. Wie bei einer Eruption sind Teile in feinste Partikel (Erinnerungsfetzen) zersplittert, dem Leser etwas Mühe beim Nachverfolgen bereitend. Aber streckenweise war das Leben des Autors nicht nur stetig und zielgerichtet, sondern auch „verrückt“. Man muss und kann die Teile aber zusammenführen und damit die Person und das Lebenswerk von Rolf Rau nicht nur verstehen, sondern in besonderer Weise schätzen, wenn man sich den historischen Hintergrund deutlich macht und die so ungewöhnlichen, teils dramatischen Lebensumstände verinnerlicht. Rolf Rau beschreibt nicht nur eine Erinnerung, eine Spurensuche. Er gibt tiefe Einblicke in ein Leben intensiver Suche, unbeugsamen Strebens und lebenslangen Ringens, besonders auch um wissenschaftliche Ehrlichkeit. Darüber hinaus gibt er einen authentischen Abriss neuerer deutscher Geschichte. Seine Biografie enthält schließlich Botschaften sowie Ermunterungen zum Nachdenken und Handeln – nicht nur für Rheumatologen, aber auch und besonders für diese.
Eine empfehlenswerte Lektüre!

Prof. Dr. med. Gert Hein,
Naumburg/Bad Kösen

Quelle: Rheuma Management, Ausgabe November/Dezember 2017, Seite 12

Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner

Bücher zu lesen, wissenschaftliche wie gesellschaftspolitische, philosophische wie zeitgeschichtliche, gehört zum Leben eines Hochschullehrers trotz der viel beschworenen sozialen Medien zum täglichen Leben dazu. Ebenso das Verfassen von Rezensionen, um ein Buch für andere potenzielle Leser „appetitanregend“ zusammenzufassen. Ungewöhnlich ist allerdings, wenn ein Kollege, und dazuhin noch ein national wie international seit vielen Jahrzehnten geschätzter und hoch anerkannter, die Bitte äußert, eine Rezension zu seinem Lebenswerk zu verfassen.

Besondere Ehre und Herausforderung
Aus diesen Gründen ist es für mich auch eine besondere Ehre und Herausforderung (und ich weiß immer noch nicht ob ich dieser wirklich gewachsen bin), das soeben von Rolf Rau erschienene Buch zu seinem Leben in einer ihm angemessenen Art zu rezensieren.
Und dennoch: ungewöhnliche Bücher erfordern ungewöhnliche Rezensionen, daher könnte ich es kurz machen und schlichtweg die Empfehlung herausgeben, jeder bzw. jedem an der Geschichte der Rheumatologie der vergangenen Dekaden und auch an der persönlichen Lebensgeschichte von Rolf Rau nur ein kleines bisschen interessierten Kolleginnen und Kollegen, dieses Buch zu lesen.

Letzteres ist dabei der „schwierigere“ Teil, denn Rolf Rau gibt an vielen Punkten mehr als tiefe Einblicke in seinen persönlichen Werdegang mit einer Offenheit und Selbstkritik, die mehr als beeindruckend ist. Ich würde aber davon ausgehen, dass sich an vielen Stellenjede(r) Leser(in) ein wenig wiederfindet, da sie bzw. er mit Sicherheit die gleichen Irrungen und Wirrungen eines wissenschaftlich interessierten Hochschullehrers und Vollblutklinikers nachfühlen kann. Der eigentliche Grund, warum jede/r rheumatologisch aktive und interessierte Kollege/in und somit auch seine Familienangehörigen dieses Buch lesen sollten, ist die zeitgeschichtliche Entwicklung der Rheumatologie. Dies fast schon von den Anfängen der überhaupt sinnvollen Therapie bis hin zu echten wissenschaftlichen Bewertungen, an denen Rolf Rau oft maßgeblichst beteiligt war. Dies fand auch darin Ausdruck, dass er einer der wenigen europäischen Kollegen ist, die seitens des American College of Rheumatology den Master zuerkannt bekommen hat.

In unserer aller Sinne, wünsche ich daher Dir, lieber Rolf, dass das Buch noch eine Fortsetzung oder mindestens einen zweiten Epilog finden wird, und Dir natürlich für die kommenden Jahre alles Gute und die allerbeste Gesundheit.

Prof. Dr. Ulf Müller-Ladner

Quelle: Zeitschrift für Rheumathologie 2017, Bd. 76, S. 381

Prof. Dr. med. Henning Zeidler, Hannover

Rolf Rau, der Begründer und langjährige Chefarzt der Rheumaklinik im Evangelischen Fachkrankenhaus in Ratingen, beschreibt in dem biografischen Buch sein Leben von der frühesten Kindheit bis heute mit allen persönlichen, familiären und beruflichen Erlebnissen und Konflikten. Die Erinnerungen an die Kindheit in der seit dem Versailler Vertrag an Polen abgetretenen Provinz Posen, an den Beginn des 2. Weltkrieges, an die Flucht in den Westen, an die Jugend in Naumburg in der DDR und an den Umzug nach Berlin West mögen für die vor oder im Krieg geborene Generation mit vergleichbaren Lebensgeschichten Anregung sein sich an die Vergangenheit zu erinnern. Jüngeren Lesern erschließt sich dadurch ein Einblick in das persönliche und private Erleben des Autors in Kindheit und Jugend unter den besonderen zeitgeschichtlichen Bedingungen. Dieser nicht medizinische Teil, der etwa ein Drittel des Buchs ausmacht, ist reich an persönlichen aktuellen Recherchen durch Besuche in seiner früheren Heimat und durch wieder aufgenommenen Kontakt zu früheren Klassenkameraden. Rau, der wenige noch lebende Zeitzeugen befragt, ist in seine alte Heimat gereist, um sich auf Spurensuche zu begeben und fehlende Informationen zusammen zu tragen. Die Darstellung seiner Beziehungen zum weiblichen Geschlecht mag mancher Leser als indiskret empfinden und auch sein politisches Urteil zur Wiedervereinigung wird keinen ungeteilten Zuspruch finden, sind jedoch Beispiele für das Anliegen sein Leben in aller Offenheit und persönlichen Bewertung zu beschreiben.

Der medizinisch Teil des Buches beschreibt ausführlich die ärztliche und persönliche Entwicklung während des Studiums der Humanmedizin, der wissenschaftlichen Assistentenzeit an der Medizinischen Universitätsklinik Gießen, der rheumatologisch prägenden Assistenz an der Universitätsrheumaklinik Zürich und der Tätigkeit als Oberarzt in der Rheumatologie und Rehabilitation am Stadtspital Triemli in Zürich. Der Erforschung von Veränderungen der Leber bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen galt sein wissenschaftliches lnteresse seit der Zeit in Gießen und legte die Grundlage für seine spätere Habilitation. Mit Übernahme der Chefarztfunktion 1978 in der Rheumaklinik Ratingen steht zunächst der Aufbau einer für die damalige Rheumatologie richtungsweisenden und innovativen rheumatologischen Akutklinik im Mittelpunkt. Sein wissenschaftliches lnteresse und sein Ehrgeiz lässt ihn jedoch rasch systematisch klinische Daten sammeln, die zur Grundlage für Studien zur Gold- und Methotrexat-Therapie wurden. Ausführlich beschrieben ist sein Beitrag zur Erforschung von Methotrexat in der Therapie der rheumatoiden Arthritis und seine damit verbundene führende Rolle bei der Einführung dieser Therapie in die Deutsche Rheumatologie. Weitere Meilensteine seiner wissenschaftlichen Arbeit werden anschaulich dargestellt: die Untersuchung der Destruktion und Reparation im Röntgenbild mit Entwicklung des Ratingen-Score als leicht zu erlernendes, alltagstaugliches Instrument zur Messung der Röntgenprogression, klinische Studien mit Biologika und die Low Dose Prednisone Treatment Studie mit Nachweis der Hemmung der radiologischen Progression der rheumatoiden Arthritis durch eine Dosis von nur 5 mg. Einen wichtigen Platz nehmen in seinen Erinnerungen die Vielzahl von Kontakten und Freundschaften zu nationalen und internationalen, besonders amerikanischen Rheumatologen ein, die unser Fachgebiet in den vergangenen 50 jahren mit geprägt haben. Beeindruckend ist auch die Darstellung seiner Aktivitäten und Vitalität seit seinem Ruhestand 1998, den er mit Tätigkeiten in verschiedenen rheumatologischen Kommissionen, Buchpublikationen, Liebe zur Kunst (Literatur, Schauspiel und besonders der Oper), Waldarbeit, sportlichen Aktivitäten (Tennisspielen, Radtouren, Skilanglauf) und ausgedehnten Reisen ausfüllt.

Insgesamt zeichnet sich das Buch dadurch aus, dass es eine sehr authentische, faktenreiche und durch viele Fotos dokumentierte Darstellung der biografischen Erinnerungen gibt, die Rolf Rau als einen führenden Wegbereiter der klinischen Rheumatologie charakterisieren. Dazu gehören nicht nur seine Erfolge, sondern auch seine Misserfolge und oft auch kritischen Anmerkungen zum erlebten Wandel in der Rheumatologie, der Rolle der Pharmaindustrie und der Bedeutung klinischer Studien.

Quelle: Aktuelle Rheumathologie 2017, Bd. 42, S. 372

UNI-MED Verlag

Freunde animierten Rolf Rau vor einigen Jahren, seine Lebensgeschichte zu Papier zu bringen. Deshalb hat er die wenigen noch lebenden Zeitzeugen befragt und sich auf Spurensuche begeben, um fehlende Informationen zusammen zutragen.

Die Beschreibung dieses Lebens kann als Zeitdokument über acht Jahrzehnte großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche gelesen werden. Rolf Rau beschreibt seine zahlreichen Erinnerungen und Erlebnisse von der frühesten Kindheit bis heute. Krieg, Vertreibung und Flucht prägten die Kindheit; Mangelwirtschaft und die ersten Einflüsse und Auswirkungen des “real existierenden Sozialismus” stalinistischer Prägung die Jugendzeit. Fortan spannt sich der Bogen über Berlin, Marburg, Gießen und Zürich bie Ratingen, wobei persönliche und familiäre Ereignisse und Konflikte ebenso geschildert und reflektiert werden wie berufliche. Der Autor lässt uns teilhaben an seinen medizinisch- wissenschaftlichen Ideen, Erfolgen, Disputen und auch Misserfolgen. Das Buch demonstriert “die zeitgeschichtllche Entwicklung der Rheumatologie von den Anfängen einer sinnvollen Therapie bis hin zu echten wissenschaftlichen Bewertungen” (Ulf Müller-Ladner). Dabei ist der Erzählstil stets so gehalten, dass auch medizinische Laien alle Inhalte ohne Probleme verstehen und verfolgen können.