Das besprochene 360 Seiten umfassende Buch, erschienen 2017 im UNI-MED Verlag Bremen, ist eine sehr interessante Dokumentation des Lebensweges eines Rheumatologen in der Kriegs- und Nachkriegszeit sowie der Entwicklung der Rheumatologie im deutschen Sprachraum. Es kann auch als Dokumentation einer Zeit großer politischer und gesellschaftlicher Umbrüche gelesen werden.

Rolf Rau wurde 1933 in Kolmar, Provinz Posen, geboren. Die Provinz war 1920 nach dem Versailler Vertrag zu Polen gekommen. Mehr als 50 % der deutschen Bevölkerung emigrierten bald in die Weimarer Republik. Die Deutschen wurden als ungeliebte Minderheit zunehmend stärker unterdrückt um Polen zu verlassen – Polen sollte ein ethnisch „reines“ Land werden.
Schon im März 1934 starb Rolfs Vater an einer Tetanus-Infektion. Seine Mutter übernahm das Hotel ihrer Eltern.
Wegen einer für Deutsche lebensbedrohenden Lage floh Rolfs Mutter mit ihm gegen Ende August 1939 zu Bekannten in die „Freie Stadt“ Danzig, wo er von einem Hügel aus am 1.September die Beschießung der Westerplatte im polnischen Kriegshafen Gdingen (bei Danzig) und damit den Beginn des II. Weltkriegs erlebte. Mehrere Tage später konnte er den Einmarsch deutscher Truppen bejubeln. Sonst hätte er 1939 in eine polnische Schule eingeschult werden müssen. Von 1943 bis Januar 1945 war er Schüler der NAPOLA auf Schloss Reisen, ca. 140 km südlich von Kolmar.
Von Reisen aus musste er am 21.Januar 1945 allein mit 2 gleichaltrigen Kameraden unter dramatischen Umständen vor den Russen nach Naumburg/Saale fliehen. Dort fand ihn seine Mutter kurz vor Kriegsende wieder.
Als besitzloser Flüchtling erlitt er in der sowjetischen Besatzungszone, später DDR, eine Zeit schwerer Entbehrungen und politischer Indoktrination. Nach dem Abitur 1952 verließ er die DDR, studierte Medizin an der FU-Berlin, in Marburg und Gießen und war ab 1962 wissenschaftlicher Assistent an der Medizinischen Uni-Klinik Gießen.
Dort begann er eine kleine rheumatologische Ambulanz aufzubauen und auch schon über die Therapie der chronischen Polyarthritis (später rheumatoide Arthritis, RA) zu publizieren. Er hatte das Glück 1969 in Zürich, dem damaligen Mekka der Rheumatologie, eine Assistentenstelle an der Uni-Rheumaklinik zu bekommen und 1971 von Prof. Duri Gross als Erster Oberarzt in die Rheumaklinik des neuen Stadtspitals Triemli mitgenommen zu werden.
Hier entstand die Monographie der Leber bei rheumatischen Erkrankungen, nachdem er schon in Gießen und Zürich zahlreiche Leberbiopsien durchgeführt und auf die „reaktive Hepatitis“ bei aktiver RA und ihre Beeinflussung durch die Therapie der RA hingewiesen hatte. Die Frage der Nebenwirkungen des MTX auf die Leber spielte später eine große Rolle.
1978 übernahm er die Leitung einer von ihm aus einer inneren Belegabteilung aufzubauenden internistischen Rheumaklinik am Evangelischen Krankenhaus in Ratingen. Die baulichen und personellen Bedingungen und die hygienischen Verhältnisse auf der Krankenstation waren katastrophal („Lambarene“).
Eine australische Kasuistik über die wirksame Behandlung einer Psoriasisarthritis veranlasste ihn trotz Warnung der Herstellerfirma und ohne Kenntnis zweier amerikanischer Ansätze erstmals Patienten mit einer fortgeschrittenen RA mit MTX zu behandeln. Die Patienten wurden langfristig beobachtet und über Therapieerfolge berichtet, was zunächst auf Unglauben stieß. Eine gemeinsame Studie mit Professor Menninger über 3 Jahre ergab, dass MTX (fast) so gut wirkte wie das von ihm bevorzugte parenterale Gold. Die brisante Frage nach einer Leberschädigung durch MTX konnte er mit selbst durchgeführten Leberbiopsien entschärfen. Zu einer 1984 auf Schloss Hugenpoet nahe Ratingen und von Lederle finanzierten Tagung über alle Aspekte des MTX konnte er Onkologen, Dermatologen und amerikanische Rheumatologen einladen. Hieraus entwickelten sich langjährige Freundschaften.

Über seine intensive Beschäftigung mit der Radiologie rheumatischer Erkrankungen, die Entwicklung einer eigenen Scoringmethode zur Quantifizierung der destruktiven Veränderungen und die erstmalige Beschreibung der Heilung von Erosionen wird berichtet.

Mitte der 1990er Jahre wurde die Therapie der RA durch Einführung der TNF alpha Inhibitoren revolutioniert. Die Ratinger Klinik war bei der Durchführung der ersten Phase II Studie gemeinsam mit Prof. van der Putte in Nimwegen und Fritz Hasler in Chur mit dem TNF alpha Rezeptor Lenercept beteiligt, dessen Entwicklung wegen einer Fehleinschätzung leider abgebrochen wurde.

Bei der klinischen Entwicklung des TNF alpha Antikörpers D2E7 (vermarktet als Humira), heute das umsatzstärkste Medikaments überhaupt, war die Ratinger Klinik ebenfalls beteiligt.
Die Zentren in München, Nimwegen und Ratingen führten die ersten klinischen Untersuchungen (Phase I) mit unterschiedlichen Dosen durch und beteiligten sich auch an allen Folgestudien an prominenter Stelle.
Die Kapitel zu den in der Rheumatologie angewandten Methoden, zur beginnenden Internationalisierung der Wissenschaft, zur Rolle der Pharmaindustrie, zur Cortisonbehandlung durften auch den Laien interessieren und sind allgemeinverständlich geschrieben.
Natürlich befasst sich das Buch nicht nur mit der Rheumatologie, sondern auch mit privaten und politischen Ereignissen und ist in einem flüssigen Erzählstil geschrieben.