Rolf Rau beschreibt nicht nur eine Erinnerung.
Er gibt tiefe Einblicke in ein Leben intensiver Suche, unbeugsamen Strebens und lebenslangen Ringens, besonders auch um wissenschaftliche Ehrlichkeit. Und das in einer Offenheit, die nichts beschönigt, mit einem gerüttelt Maß an Selbsthinterfragen und Selbstkritik. Darüber hinaus bietet er einen authentischer Abriss neuerer deutscher Geschichte.
Was ist daran für Rheumatologen, aber bei weitem nicht nur für diese, so bemerkenswert und interessant? Es sind zwei Aspekte:
Zum einen ist der Autor einer der Nestoren der neuen deutschen Rheumatologie mit internationaler Ausstrahlung. Einer, der die dramatischen Entwicklungen des Fachgebietes miterlebt und mitgestaltet hat, der dabei mit Leib und Seele Kliniker geblieben ist und nicht nur die rheumatischen Hände oder den schmerzenden Rücken der Patienten, sondern immer den ganzen Menschen mit seinem organischen und psychischen Status gesehen hat.
Zum anderen beschreibt Rolf Rau ein schier unglaubliches Leben: Seine Kindheit in Margonin (damals polnische Provinz Posen, 1939–1945 wieder deutsch), die teils verdrängten Erlebnisse auf der Flucht nach Danzig 1939 und weiter nach Naumburg/Saale (Januar 1945). Die folgenden Jahre im stalinistisch geprägten Ostdeutschland (wobei ihm Mitschüler und manche Lehrer durchaus in guter Erinnerung sind), das er 1952 schließlich zum Studium der Medizin in Berlin verließ. Die unterschiedlichen Assistenz-, später Oberarztstellen in Deutschland und der Schweiz und letztlich die Annahme der Chefarztstelle an der erst unter schwierigen Bedingungen neu zu etablierenden Rheumaklinik in Ratingen.
In die Ratinger Zeit fallen seine wertvollen Langzeitstudien zur Therapie mit Goldsalzen, Glukokortikoiden und Methotrexat (letzteres hatte Rolf Rau als Erster 1978 unabhängig von den Amerikanern in Europa eingeführt), aber auch seine Pionierarbeit in der Anwendung der ersten TNF-Blocker bei RA-Patienten.
Schließlich seine „Erntezeit“ u. a. mit der Ernennung zum Ehrenmitglied der DGRh, der EULAR und zum Master des ACR, zahlreichen internationalen Vortragseinladungen und der Mitarbeit in bedeutenden nationalen und internationalen Fachgremien.
Diese „Karrieregeschichte“ ist eingebettet und immer wieder durchdrungen von persönlichen Reflexionen, Personen- und Konfliktbeschreibungen sowie kritischen und selbstkritischen Bemerkungen. Rau erläutert auch persönliche Wertschätzungen von ihm nahe stehenden Personen und Mitarbeitern, namentlich seiner zweiten Ehefrau Gertraud Herborn.
Man kann das Lebenswerk von Rolf Rau erst richtig verstehen und in besonderer Weise wertschätzen, wenn man sich den historischen Hintergrund deutlich macht und die so ungewöhnlichen, teils dramatischen Lebensumstände verinnerlicht. Seine Biografie regt an zum Nachdenken und Überdenken eigenen Handelns. Eine empfehlenswerte Lektüre nicht nur für Rheumatologen, aber auch und besonders für diese.
Gert Hein, Naumburg/ Bad Kösen

Quelle: arthritis + rheuma 6/2017